Fremde Kulturen fordern zum Vergleich mit der eigenen Kultur heraus und dazu, sich ein eigenes Bild vor Ort zu machen. Die kulturelle Herkunft und Selbstreflektion des Reisenden spielt dabei eine entscheidende Rolle. Daraus ergibt sich die Frage, ob eine unvoreingenommene Position im Umgang mit anderen Lebenswelten und -zeiten möglich ist und welche Rolle dabei die eigene kulturelle Identität spielt.
Immer breiteren Raum nehmen in unserem Jahrhundert die wissenschaftlichen Forschungen über das Zusammenleben der Menschen ein, seit sie nachweislich als Träger von Kultur in Erscheinung traten. Wissenschaftliche Methoden suggerieren zwar Objektivität, zumindest die Interpretation ihrer Ergebnisse läßt jedoch ein weites Feld für Spekulation, Suggestion und Fiktion zu.
In der Interpretation prähistorischer, historischer und gegenwärtiger Kulturen verknüpft sich die wissenschaftliche Recherche mit der eigenen kulturellen Identität. Unsere Interpretation der Welt sagt mehr über uns als über die Welt. Unser Bild der Welt ist wesentlich von unserem Weltbild geprägt.
Reisen - auch Forschungsreisen - sind immer mit der Identität und dem Weltbild des Reisenden verknüpft. Davon zeugen zu allen Zeiten die Reiseberichte von Forschern und Entdeckern. Eine im Ansatz unvoreingenommene Erkundung fremder Kultur und ihrer Geschichte findet selten statt. Ist sie überhaupt möglich?
Meine Vorstellung ist bestimmend für meine Wahrnehmung - diese Hypothese war der Ausgangspunkt meiner Forschungsarbeit auf Olkhon. Mein Entwurf der Khuza-Kultur bildete dabei das offene Modell. Die Deutung und Benennung von Landschaftsformationen und Fundstücken unter Anwendung der suggestofiktiven Methode spielten bei der Verknüpfung des Khuza-Mythos mit der Realität, wie ich sie auf Olkhon vorfand, die entscheidende Rolle. Dabei ist jede Ähnlichkeit mit vor-, frühgeschichtlichen, neuzeitlichen und gegenwärtigen Kulturen nicht ganz zufällig.